Wir erklären die Eigenschaften von IPv6 im Wechselspiel aus Technik und Generationserfahrung – als Dialog zwischen 🧙‍♂️ (Professor) und 🐣 (Student). Lehne dich zurück: Beim Lesen erschließt sich der Unterschied zwischen IPv4 und IPv6 ganz natürlich.


Der Dialog beginnt

🐣 (Student) „Professor, worin unterscheiden sich IPv4 und IPv6 eigentlich? Es ist doch nicht so, dass die neue Version in allem besser ist, oder?“

🧙‍♂️ (Professor) „Der größte Unterschied ist der Adressraum. IPv4 hat 32 Bit, also rund 4,3 Milliarden Adressen. IPv6 hat 128 Bit – praktisch unendlich. Dieser Punkt ist ein bedingungsloser Vorteil.“

🐣 (Student) „Und die restlichen Funktionen?“

🧙‍♂️ (Professor) „Da gibt es SLAAC für automatische Konfiguration, bessere Multicast-Unterstützung, Erweiterungsheader und so weiter. Allerdings ist der Betrieb komplexer geworden. In der Praxis gilt: Alles abseits des größeren Adressraums ist verhandelbar.“


📌 Hinweis: Grundlegende Unterschiede zwischen IPv4 und IPv6

  • IPv4 nutzt 32 Bit, IPv6 128 Bit.
  • IPv6 bringt SLAAC, automatische Konfiguration, Erweiterungsheader und weitere neue Funktionen mit.
  • Die Betriebslast steigt, weshalb nicht alle Neuerungen automatisch Begeisterung auslösen.

Routing und Notation

🐣 (Student) „Unterscheidet sich das Routing?“

🧙‍♂️ (Professor) „Im Kern nicht. Aus IPv4 0.0.0.0/0 wird unter IPv6 ::/0. BGP oder OSPFv3 arbeiten nach ähnlichen Prinzipien.“


Doppelte Arbeit mit DHCP und SLAAC

🐣 (Student) „Werden IPv6-Adressen per DHCP verteilt?“

🧙‍♂️ (Professor) „Es gibt DHCPv6, aber auch SLAAC. Router senden Advertisements und Endgeräte erzeugen ihre Adressen selbst. DNS-Informationen hängen jedoch oft an DHCPv6, weshalb man in der Praxis beides betreibt.“

🐣 (Student) „Aber heute sollte man DNS doch komplett via SLAAC verteilen können, oder?“

🧙‍♂️ (Professor) „Mit RFC 8106, dem sogenannten RDNSS, lassen sich DNS-Server via RA mitliefern. Doch Implementierungen unterscheiden sich je nach OS oder Gerät, also bleibt DHCPv6 oft nötig. Auf dem Papier ist das Problem gelöst, in der Praxis herrscht Doppelbetrieb.“

🔎 Exkurs: DNS-Verteilung über RDNSS RFC 8106 (RDNSS) erlaubt es, DNS-Server direkt in Router Advertisements mitzugeben. Weil Implementierungen und Betriebsrealität variieren, ist DHCPv6 vielerorts trotzdem erforderlich – daher setzen viele auf beide Verfahren.

🐣 (Student) „Also braucht man beides … nervig.“

🧙‍♂️ (Professor) „Exakt. Die Fantasie vom ‚vollautomatischen Glück‘ ist geplatzt.“


NAT und Sicherheit neu denken

🐣 (Student) „IPv6 verzichtet doch auf NAT. Ist man dann nicht schutzlos sichtbar?“

🧙‍♂️ (Professor) „In IPv6 ist NAT unüblich. Stattdessen kontrollieren Firewalls den Verkehr. Unter IPv4 wirkte NAT als unbeabsichtigte Schutzschicht; in IPv6 brauchst du explizite Policies.“

🐣 (Student) „Für Laien klingt das riskant.“

🧙‍♂️ (Professor) „Ist es auch. IPv6 hält Architektinnen und Architekten den Spiegel vor: Sie tragen die Verantwortung.“


📌 Hinweis: Unterschiedliche Rollen von NAT und Firewall

  • IPv4-NAT blockt externen Zugriff quasi nebenbei.
  • IPv6 vergibt globale Adressen – eine Firewall ist Pflicht.
  • Das Sicherheitsmodell verschiebt sich grundlegend.

Dienste veröffentlichen

🐣 (Student) „Mit IPv4 konnte ich dank NAT mehrere Dienste auf einer Adresse hosten. Geht das mit IPv6 nicht mehr?“

🧙‍♂️ (Professor) „Nicht im selben intuitiven Sinn. Mehrere Dienste auf einer Adresse verlangen DNS-Namen oder Reverse-Proxys. IPv6 räumt die ‚implizite Bequemlichkeit‘ weg und verlangt klare Architektur.“

🐣 (Student) „Es wird also umständlicher?“

🧙‍♂️ (Professor) „Du verlierst die alten Tricks, dafür kannst du sauber planen.“

🐣 (Student) „Aber IPv6-Adressen gibt es im Überfluss, richtig?“

🧙‍♂️ (Professor) „Eben. Du kannst jedem Dienst eine eigene Adresse geben. Ports als Mangelverwaltung brauchst du nicht mehr; oft wird das Design dadurch sogar einfacher.“

🔎 Exkurs: Dienstezuweisung unter IPv6 Dank vieler Adressen kann jeder Dienst eine eigene IPv6-Adresse erhalten. Natürlich kannst du weiterhin mehrere Dienste per Port auf einer Adresse bündeln; ohne NAT bleibt die Struktur aber meist übersichtlicher.


Warum IPv6 so langsam Fuß fasst

🐣 (Student) „Warum verbreitet sich IPv6 so schleppend?“

🧙‍♂️ (Professor) „IPv4 wurde zu erfolgreich verlängert: Heim-NAT, Carrier-Grade NAT bei ISPs, sogar ein Handelsmarkt für IPv4-Adressen. Zwei Jahrzehnte lang lautete das Motto: ‚Solange nichts brennt, migrieren wir nicht.‘“

🐣 (Student) „Also gewinnt Trägheit gegen technischen Fortschritt.“

🧙‍♂️ (Professor) „Willkommen in der Menschheitsgeschichte.“


Übergangschaos und Generationenblick

🐣 (Student) „Im Alltag muss man doch weiterhin IPv4 und IPv6 parallel betreiben?“

🧙‍♂️ (Professor) „Richtig. Dual Stack, Übersetzungsschichten, doppelte Log-Analyse – die Übergangsphase erhöht die Last.“

🐣 (Student) „Es ist also nicht so, dass ein Umstieg sofort alles vereinfacht.“

🧙‍♂️ (Professor) „Im Gegenteil: Eine Zeit lang herrscht Chaos. Auf eine Seite allein zu setzen, ist schwer.“

🐣 (Student) „Diese Übergangsphase fällt doch zeitlich mit der Generation zusammen, die die Wirtschaftskrise der 1990er überstanden hat.“

Hinweis zur japanischen Kultur: In Japan bezeichnet die „Beschäftigungs-Eiszeit“ (就職氷河期) die Jahrgänge der 1990er und frühen 2000er, als Unternehmen Einstellungsstopps verhängten und Absolvent:innen um jede Stelle kämpfen mussten.

🧙‍♂️ (Professor) „Genau. Gesellschaftliche Kältewellen und technischer Wandel überschneiden sich. Wer beides überlebt hat, besitzt eine einzigartige Überlebenskompetenz.“

🐣 (Student) „Also echte ‚Doppel-Survivor‘.“

🧙‍♂️ (Professor) „So ist es. Sie sind Zeugen der Grenzzeit zwischen Epochen und Technologien.“


Scheitert IPv6?

🐣 (Student) „Könnte man später sagen: ‚IPv6 ist gescheitert‘?“

🐣 (Student) „Gibt es denn schon Erfolgsbeispiele?“

🧙‍♂️ (Professor) „Natürlich. Viele Mobilfunkanbieter betreiben längst v6-only-Netze, und laut Google laufen über 40 Prozent des weltweiten Traffics über IPv6. Die meisten Menschen nutzen IPv6, ohne es zu merken.“

🧙‍♂️ (Professor) „Scheitern ist möglich, ja. Ebenso wahrscheinlich ist aber der stille Erfolg: Irgendwann ist alles im Hintergrund IPv6, ohne dass jemand es bemerkt. Diese unspektakuläre Normalität wäre der Idealzustand.“


📌 Hinweis: Erfolgsszenarien für IPv6

  • Erfolg: ISPs und Mobilfunk stellen auf v6-only um; Nutzerinnen und Nutzer verwenden IPv6 unbewusst.
  • Misserfolg: IPv4 bleibt dank Verlängerung und Übersetzung noch jahrzehntelang dominierend.

Schluss

IPv4 ist ein historischer Erfolg – es trägt das Internet seit über einem halben Jahrhundert. IPv6 ist der Nachfolger, doch der Umstieg ist langsam und die Koexistenzphase lang. Das Sicherheitsmodell wandert von „NAT blockt nebenbei“ zu „Firewall-Design ist Pflicht“.

Ob IPv6 als Erfolg oder Misserfolg endet, entscheidet sich daran, ob es zur unbemerkten Alltagstechnologie wird. Wie die Generation, die die Wirtschafts- und Technik-Kältewellen durchgestanden hat, wird IPv6 wohl still weiterreifen.